Mit missionarischem Eifer

 

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Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen. btb 2017

Was der Schreiber so liest (21)

Maja Lunde: Die Geschichte der Bienen (2015)

Je mehr ich darüber weiß, wie Bestseller gemacht werden – und sie werden gemacht, nicht geschrieben –, hege ich ein gesundes Misstrauen gegenüber Bestsellerlisten. Wenn Bestsellerlisten Bestenlisten wären, so die Faustregel, dann wäre Dieter Bohlen ein großer deutscher Literat. Die Sache hat nur einen Haken: Auf Bestsellerlisten finden sich richtig gute Bücher, verdammt gute Bücher bisweilen. Also braucht es andere Lotsen.
Bei Maja Lundes „Die Geschichte der Bienen“ fing es ebenso mit Misstrauen an. Doch
je mehr Leute ungebrochen von dem Weltbestseller (verlegt in 30 Ländern) schwärmten, desto neugieriger wurde ich. In diesem Sommer wollte ich schon abwinken, nachdem mit viel Tamtam „Die Geschichte des Wassers“ angekündigt wurde. Die Reproduzierbarkeit der Bestseller-Formel – da steckt wahrlich selten etwas Gutes dahinter. Doch dann versicherte mir die Buchhändlerin meines Vertrauens, bei der wirklich sympathischen Norwegerin sei es ganz anders. Nicht die Gier eines Verlagshauses (Fluch der Karibik Teil 2 bis 39) war der Treibriemen, vielmehr sei es ein Herzensanliegen von Lunde, uns Lesern ein Klima-Quartett aufzublättern, von dem die Bienen und das Wasser die ersten Karten sein sollen. Das macht neugierig, das Buch sollte das meine werden.
Drei Erzählstränge will Maja Lunde in ihrem Buch verschränken. Und legt fulminant los. Die Dystopie, die sie von einem China des Jahres 2098 entwirft, in dem von kletternden Arbeitskolonnen Bäume mühselig von Hand bestäubt werden, weil es keine Bienen mehr gibt, entfaltet trotz ihrer bedrückenden Stimmung eine gewisse Sogwirkung. William (England 1852) will seine Depressionen überwinden, indem er einen völlig neuartigen Bienenstock entwirft. Und der Imker George (USA 2007) sieht urplötzlich seine Bienen verschwinden, ebenso wie seinen Sohn, dem er doch hoffnungsvoll einst den Betrieb übergeben wollte. Drei Leben, drei Zeiten, drei Länder, drei Geschichten – mit den Bienen als kleinstem gemeinsamen Nenner.
Mir persönlich hat die Geschichte der Chinesin Tao am besten gefallen, die sich auf der Suche nach ihrem nach einem Unglücksfall verschollenen Sohn in das von Menschen fast verlassene Peking begibt. Die bedrückende Version einer Welt, in der nichts mehr Bedeutung hat, was uns heute so groß und wichtig erscheint, nur, weil wir die Bienen nicht halten konnten, das hat schon Potenzial. Leider vertändelt Lunde im letzten Drittel die Geschichte, verfällt in einen missionarischen Eifer und bringt uns die Moral von der Geschicht‘ unglücklicherweise im Agit-Prop-Stil rüber. Nun, immerhin hallen in dieser Wendung die alten kommunistischen Rituale wider. Und die anderen beiden Geschichten? Auch nicht schlecht, wenngleich sie mich nicht unbedingt umhauen.
Die Crux des Buches indes ist, dass Lunde den Pakt mit dem Leser nicht einhält. „Wie alles mit allem zusammenhängt“, verspricht der Klappentext. Doch die drei Geschichten sind eben nicht verschränkt, sondern nebeneinander erzählt. Hätte die Autorin sie nicht montiert, sondern nacheinander erzählt, das Buch hätte deutlich gewonnen.
„Die Geschichte der Bienen“ ist ein Buch, das man lesen kann. Aber nicht muss. Ich hoffe für Maja Lunde, dass sie nicht vier mal 500 Seiten im Jahrestakt runterreißen will. Dann wird es mit der Bestsellerei schnell vorbei sein. „Die Geschichte des Wassers“ werde ich jedenfalls nicht lesen. Erst vor ein paar Jahren wurde ich bitter enttäuscht von der bis zum Exzess beworbenen vierteiligen „Jahrhundertsaga“ von Ken Follett.
Immerhin, besser als Follett schreibt Maja Lunde allemal.

Eine Antwort auf „Mit missionarischem Eifer“

  1. Also ich bin ja auch immer skeptisch was Bücher betrifft. Ich habe Lunde nicht gelesen, muss aber sagen, dass ich von der übrigens dreiteiligen Jahrhundertsaga absolut begeistert war. Das, obwohl ich vorher kein Ken Follett Fan war. So unterschiedlich sind die Eindrücke, die Bücher auf uns machen. Ich konnte auch niemals etwas mit Tolkien anfangen. Mich spricht die Erzählweise überhaupt nicht an. Andere finden ihn großartig. In diesem Sinne schaue ich nicht nach Bestsellern, eher danach ob mir der Stil und die Thematik gefällt.

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