Philip Roth ist tot

Philip Roth
Philip Roth (1933-2018). Foto: Eric Thayer

Philip Roth ist tot.
Der US-amerikanische Schriftsteller galt als skandalumwittert und mindestens die letzten 15 Jahre als Dauerkandidat für den Literaturnobelpreis. Doch nicht das wird von ihm bleiben. Bleiben werden die großartigen Romane und Erzählungen, in denen das Leben der amerikanischen Mittelschicht verhandelt wird.
Wer „Der menschliche Makel“ (2000) gelesen hat, der kennt die wichtigsten Antworten auf die Fragen nach dem Rassismus, dem Judentum, der Liebe. Wie der geschasste Professor Coleman Silk mit der Beziehung zu der aus prekären Verhältnissen stammenden Faunia umgeht, ist in seiner Menschlichkeit und Natürlichkeit zutiefst anrührend. Die Geschichte wird übrigens von Nathan Zuckerman erzählt, Roths Protagonisten aus der sogenannten Zuckerman-Trilogie.
Eine Geschichte, die genau so berührend ist wie Philip Roths Abschied vom Schreiben. In seinem „letzten Interview“ (2012) sagte er:
„Ich kann keine Tage mehr ertragen, an denen ich fünf Seiten schreibe und sie dann wieder wegschmeiße. Es geht einfach nicht mehr. Ich weiß, ich werde nicht mehr so gut schreiben können, wie ich das mal getan habe. Ich habe nicht mehr das Durchhaltevermögen, die Frustration auszuhalten. Schreiben ist Frustration – tägliche Frustration, von der Demütigung mal ganz abgesehen.“
Ach, Philip Roth, du wirst fehlen. Auch mir. Zum Glück bleiben deine Worte.

Die letzte Liebe

Was der Schreiber so liest (20)

Max Frisch: Montauk (1975

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Max Frisch: Montauk. Suhrkamp 1978

Wer aus meiner Generation Max Frisch schon als Kind gelesen hat, der outet sich als westsozialisiert. Dort hat der Schweizer, den ich lange Zeit für einen Dramatiker gehalten habe, längst den Weg in den literarischen Schulkanon gefunden. Ich bin viel später auf den Mann aus dem kleinbürgerlichen Milieu gestoßen, der dann doch so ein abwechslungs- und erfolgreiches Leben führte.
Mit „Montauk“ griff ich mir ein Stück aus dem Spätwerk. Das von dem ich wusste, dass es am meisten autobiografisch eingefärbt ist. Denn genau darum ging es mir: Was geschah wirklich an diesem Wochenende auf Long Island, das Frisch 1974 mit der 32 Jahre jüngeren Alice Locke-Carey verbrachte? „Die letzte Liebe“ weiterlesen

Den Wolf herbeigeschrieben

Was der Schreiber so liest (15)

Antje Babendererde: Isegrim

Isegrim
Antje Babendererde: Isegrim. Arena Verlag 2013

Ich habe keine Ahnung, wann ich das letzte Mal ein Jugendbuch gelesen habe. Doch weil mir Antje Babendererde versichert, „Isegrim“ sei für Erwachsene ebenso geeignet wie für Jugendliche, lasse ich mich auf das Experiment ein.
„Isegrim“ interessiert mich vor allem als Wolfs-Geschichte. Ein Thema, das gerade für Thüringen hochaktuell ist. Und so staune ich über alle Maßen, dass Antje Babendererde das Auftauchen des Wolfes auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Ohrdruf bereits vor fünf Jahren bis ins Detail vorwegnahm. Eine Bestätigung für diejenigen, die schon immer sagten, es sei keine Frage ob, sondern wann der Wolf in Thüringen auftauche. „Den Wolf herbeigeschrieben“ weiterlesen

Widerfahrnis auch für den Leser

Was der Schreiber so liest (8)

Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis (2016)

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Bodo Kirchhoff: Widerfahrnis. Frankfurter Verlagsanstalt, 2016

Ein Roman ist ein erzählendes Werk mit mehr als 200 Seiten. Das war die einzige Romandefinition, die Kritikerlegende Marcel Reich-Ranicki gelten lassen wollte. Nicht nur unter diesem Maßstab ist er wohl mehr als berechtigt, der eigentlich nur für Romane vorgesehene Deutsche Buchpreis 2016 für Bodo Kirchhoffs neues Werk „Widerfahrnis“. Denn es handelt sich formal genommen um eine Novelle, eine „unerhörte Begebenheit“. Und wie ein Literaturkritiker noch am Montagabend aus jurynahen Kreisen kolportierte, waren es Thomas Melles „Die Welt im Rücken“ und Bodo Kirchhoffs „Widerfahrnis“, um die zuletzt noch gestritten wurde. Ein autobiografisches Werk und eine Novelle. Wie gut, dass es keine Regeln ohne Ausnahme gibt – das hätte auch Reich-Ranicki gut gefallen.
Unerhört ist schon der Titel. „Widerfahrnis auch für den Leser“ weiterlesen

Die Gruppe

Die Gruppe

Die Gruppe
Die Gruppe, Eigenverlag Apolda, 2012
nur noch als E-Book erhältlich

Klappentext:

Mecklenburg im Sommer 1989. Während der Zerfallsprozess des real existierenden Sozialismus bereits im vollen Gange ist, wird Frank Weingart in die Psychiatrie eingewiesen. In einer Gruppentherapie sollen seine psychosomatischen Störungen behandelt werden. Mit neun anderen Patienten wird er fortan eine geschlossene Gruppe bilden. Der 30-Jährige muss sehr schnell sehr persönliche Beziehungen zu Menschen aufbauen, denen er vollkommen fremd ist. Dabei kommt er selbst quasi aus einem geschlossenen System – Weingart ist Hauptmann der Nationalen Volksarmee und verbrachte die letzten Jahre in einer Welt, die trotz Wehrpflicht den meisten Bürgern des Landes fremd ist. Doch es gibt noch eine dritte Gruppe, der Weingart angehört: Gemeinsam mit vier anderen Angehörigen seines Regimentes hat er ein Memorandum verfasst, das den Sturz der Regimentsführung zum Ziel hat. Machtmissbrauch und Korruption sind die Stichworte. Eine Gruppe hochrangiger Militärs versucht, eben das zu verhindern. Plötzlich erscheint seine Einlieferung in einem ganz anderen Licht. Ist Weingart gar nicht so krank, wie ihm seine Umwelt einredet? Hat die Militärabwehr dafür gesorgt, dass er hinter Klinikmauern verschwindet?
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