Was der Schreiber so liest (9)
Martin Olczak: Die Akademiemorde (2014)
Ich gestehe, ich mag keine Schweden-Krimis mehr. Per Wahlöö ist schon lange tot seine Partnerin Maj Sjöwall (81) hat vor sieben Jahren das letzte Buch veröffentlicht, und seit die Literaturwelt vor gut einem Jahr auch noch Henning Mankell an den Krebs verloren hat, scheint die skandinavische Krimiliteratur nur noch aus saufenden und verzweifelten Ermittlern zu bestehen, die mit ebenso haarsträubenden wie unrealistischen Methoden Jagd auf ebenso blutrünstige wie klischeehafte Psychopathen machen. Immerhin, die Larsson-Trilogie soll sehr gut sein; hier will ich mir kein Urteil erlauben, weil ich sie nicht gelesen habe.
So ist mein Misstrauen erklärlich, als mir der Weihnachtsmann Martin Olczaks (geb. 1973) „Die Akademiemorde“ unter den Baum legte. Nun – ich habe das Buch in fünf Tagen verschlungen und bin begeistert.
Das klug gewählte Setting ist das Umfeld der schwedischen Akademie mit ihren verstaubten Ritualen und ihrer unfassbaren Macht – ohne jeglichen Einfluss von außen legt hier das Nobelpreiskomitee in mehreren Geheimsitzungen fest, wer den am meisten beachteten Literaturpreis der Welt erhält. Erst nach 50 Jahren wird offen gelegt, wer die Nominierten waren. Doch gerade um diesen Literaturnobelpreis entspinnt sich ein atemberaubender Krimi: Ein Serienmörder hat es auf die Mitglieder der schwedischen Akademie abgesehen. Er mordet kaltblütig und mit höchster Präzision. Niemand kann ihn aufhalten – niemand, bis auf Olczaks sympathische Protagonisten, die Ermittlerin Claudia Rodriguez (die aus nicht nachvollziehbaren Gründen einen chilenischen Migrationshintergrund hat) und der junge und dennoch schon ausreichend schrullige Antiquar Leo Dorfman.
Wie Martin Olczak seinen Plot entwickelt, das hat schon was: Raffiniert ersonnen und mit ausreichend Tempo umgesetzt, hält der Autor den Leser bei der Stange, verzichtet aber glücklicherweise auf Blutorgien. So bleibt der Krimi immer das, was Sjöwall/Wahlöö im Untertitel ihrer Krimi-Reihe „Roman über ein Verbrechen“ nannten, hier allerdings, ohne den gesellschaftlichen Hintergrund zu beleuchten.
Die Schwächen des Buches sind schnell aufgezählt, sie liegen fast ausnahmslos in den Details. So stört, dass Olczak alten Büchern fast immer einen Ziegenledereinband verpasst. Dass nun alle vom Mörder als von „dem Arsch“ sprechen, ist ebenso unrealistisch, wie dass annähernd alle Figuren ständig englische Wendungen benutzen. Und wenn bei einem Motorrad in schneller Fahrt um einen Platz die Reifen kreischen, dann sehe ich die Besatzung eher stürzen als ans Ziel kommen. Das geschilderte Erschleichen eines Passwortes per fettigen Fingerabdrücken gelingt nur, wenn sich die Buchstaben nicht wiederholen. Und an einer Stelle hätte ich beinahe das Buch zugeklappt, nämlich als Olczak dramaturgisch völlig unnütz eine falsche Spur auslegt, in einer Szene, in der aber auch so gar nichts plausibel erscheint, und sich der Leser eher veralbert vorkommt.
Doch es ist dem Buch nicht zu entnehmen, ob die Fehler hastiger Arbeit des Autoren oder einer schludrigen Übersetzung (Gabriele Haefs) zu verdanken sind.
Unterm Strich bleibt ein Summa cum laude — Martin Olczaks „Die Akademiemorde“ erhalten von mir 5 von 5 Sternen. Ein Buch, bei dem ich neidvoll sagen muss: So etwas hätte ich auch gern geschrieben!