Was der Schreiber so liest (2)
John Grisham: Die Erbin (2014)
Kennst du einen, kennst du alle. Wer bei Edgar Wallace der Täter ist, weiß man ja: Ein Sonderling, der irgendwann im Verlaufe des Buches auftaucht und behauptet, lange Jahre in Übersee gearbeitet zu haben. In Wahrheit war er ein »Zuchthäusler«. Einmal Verbrecher, immer Verbrecher.
So ähnlich ist das auch bei John Grisham, dachte ich. Wer »Jury«, »Firma« und »Akte« gelesen hat, kennt alles, was Grisham zu bieten hat. Dabei habe ich dann doch noch mehr Titel gelesen, bis ich ihn über hatte. Doch dann kam Denis Scheck, lobte »Die Erbin« über den grünen Klee (»hat große Klasse«) und machte mich neugierig.
Doch, leider, leider: Grisham blieb sich treu. So faszinierend die Grundidee des Plots auch ist, so schnell kommt man der Geschichte auf die Schliche. Das Buch ist noch kein Drittel alt, da ahnt man schon, warum der Milliardär Seth Hubbard sein Millionenvermögen seiner schwarzen Haushälterin Lettie Lang vermachte. Es sind keine Wirrungen, die zum logischen Ergebnis führen, es scheint alles lustlos niedergeschrieben und überrascht am Ende nicht wirklich.
Vor allen Dingen darf man sich nicht auf Details einlassen. Wer in einer 8000-Einwohner-Stadt 26 Anwaltskanzleien und mehrere Banken ansiedelt, macht sich verdächtig. Wer seinen Anwalt, der keine aufregende Nacht und einen ganz normalen Morgen hinter sich hat, bis um 8.30 Uhr bereits zwei Liter (sic!) Kaffee trinken lässt, der macht sich unglaubwürdig.
Leser, die das ausblenden und sich ganz der oberflächlichen Spannung hingeben können, werden dennoch zufrieden sein.
Mein Fazit: Grisham ist wie ein Burger bei McDonalds – kennst du einen, kennst du alle. Als schnelle Mahlzeit in bekannte Schemata gepresst, bereitet er zwar keinen Genuss, ist aber durchaus verdaulich.