Die Schwächen der Starken

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Francoise Gilot / Carlton Lake: Leben mit Picasso. Diogenes 1981

Was der Schreiber so liest (10)

Francoise Gilot: Leben mit Picasso (1964)

Zeigen Künstlerbiografien inzwischen den Menschen mit all seinen Widersprüchen, so dienten sie früher nur allzuoft lediglich dazu, dem Denkmal des Porträtierten einen stabilen Sockel zu bauen. Francoise Gilot machte da eine Ausnahme. Ihr 1964 erschienenes Buch „Leben mit Picasso“ hatte vielmehr einen großen Anteil daran, dem fehlbaren Genie die Maske des Charmeurs vom Gesicht zu reißen. 22 Jahre alt war die Malerin, als sie dem damals schon berühmten 62-jährigen Picasso begegnete. Zehn Jahre lang lebte sie an seiner Seite, und das ist nur allzu wörtlich zu nehmen. Obwohl aus der Muse bald die Geliebte, später auch die Mutter von Picassos Kindern Claude und Paloma wurde, gelang es auch Gilot nie, die zutiefst chauvinistische Einstellung des vermeintlichen Frauenliebhabers zu ändern. Der Egozentriker liebte außer der Malerei stets nur sich selbst – und er machte auch keinen Hehl daraus.
Gilot bietet uns in ihrem Buch eine Innenansicht von zehn Jahren aus ihrem gemeinsamen Leben, sie nimmt uns mit zu Gertrude Stein und Alice Toklas, erzählt von den komplizierten Beziehungen zu Picassos Galeristen Kahnweiler, von Picassos Freundschaft zu Braque, Matisse und Elouard. An der Seite des Paares kann der Leser nach Südfrankreich reisen und dabei sein, wenn Picasso bis zur Erschöpfung in den Töpferwerkstätten von Vallauris arbeitet oder sich bei den Stierkämpfen vergnügt.
Am Ende wird es – im Gegensatz zu den anderen Frauen – Francoise Gilot sein, die Picasso verlässt, und er wird ihr das nie verzeihen. In einem mehrjährigen Krieg versuchte er, sie zu vernichten, ihre Bilder wurden auf seinen Druck hin von keinem Pariser Galeristen mehr gezeigt. Und auch gegen die Veröffentlichung des Buches wehrte sich Picasso mit allen juristischen Mitteln. So souverän und unverletzbar wie er sich immer gab, war er wohl nicht gewesen – er konnte jedoch nicht verhindern, dass die Öffentlichkeit auf diese Weise von seinem vollkommen verqueren Frauenbild erfuhr.
Ein spannendes Stück Kunstgeschichte, eine lehrreiche Lektion über die Schwächen der Starken. Unbedingt empfehlenswert!

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