Ein kleiner Werkstattbericht
„Mööönsch“, wurde ich dieser Tage von einem alten Freund auf der Straße angerufen. „Du bist wohl gar nicht auf Achse?“ – Der Mann verfolgt mich. Also nicht als Stalker oder so, nein das nicht. Aber er verfolgt mich in den sogenannten sozialen Medien. Dort poste ich ab und an ein Bild von Reisen. Und ja, ich nutze Reisen auch zum Schreiben.
Aber wer denkt, ein Schriftsteller wandert den ganzen Tag durch pittoreske Berglandschaften und sinniert über seine Figuren, der hat ein völlig falsches Bild von diesem Beruf (dem schönsten von allen). Nein, der Schriftsteller ist kein Prinz in schimmernder Rüstung auf schneeweißem Pferd. Der Schriftsteller ist eher so eine Art irrender Reiter. Manchmal auch ein reitender Irrer. Ein Bürohengst nämlich. Blass, mit krummem Rücken und verkürzter Brustmuskulatur ob der schlechten Haltung, die Brille schon fast obligatorisch.
Was hat er denn nun gemacht, der Schreiber, höre ich meinen alten Freund fragen. Schließlich sind zweieinhalb Jahre nach Erscheinen des letzten Romans vergangen. Da hat er natürlich auch recht. Genau das liefert mir einen guten Grund, Ihnen, liebe Leser, mal wieder das Fenster meiner Werkstatt zu öffnen.Ich war durchaus nicht faul. Auf meinem Schreibtisch türmen sich die Manuskriptseiten für einen und zwei halbe Romane. Hinzu kommen Notizen für sieben weitere Projekte, von denen jedoch einige nur Variationen der anderen sind.
Würden das fertige und die beiden angefangenen Manuskripte heute gedruckt, ergäben sie einen Umfang von 695 Seiten im Taschenbuchformat.
Am meisten fortgeschritten, nämlich abgeschlossen, ist das Manuskript einer Dystopie. In dieser suche ich nach Antworten auf die Frage, was eigentlich mit unserer Demokratie passiert, wenn die Mehrheit der Wähler diese Demokratie nicht mehr wollen, und wie eine postdemokratische Gesellschaft aussehen könnte. Klingt jetzt theoretisierend, aber natürlich ist der Stoff in eine Geschichte verpackt. In eine spannende Geschichte, meinen zumindest die ersten Testleser. Nebenbei gesagt verdankt sich das Entstehen des Romans auch einem kleinen Stipendium der Kulturstiftung des Freistaates Thüringen, die damit verhindert hat, dass ich zusätzlich Pakete ausfahren muss, um den Krämer an der Ecke zu bezahlen, und meine Rechnungen auch.
Gut gediehen ist der Roman um einen Künstler, der sich in seiner brennenden Kreativität das Recht zur Selbstzerstörung herausnimmt. Und dann liegen noch rund 240 Seiten eines Textes über einen braven Mann vor, ein Wohnmobilist übrigens, der, ohne es zu wollen, ja, ohne es zu wissen, ins Fadenkreuz der Geheimdienste gerät. Ein ironischer Grundton und Überzeichnungen an der einen oder anderen Stelle machen es mir schwer, diesen entstehenden Roman in ein Genre einzuordnen. Vielleicht liegt das ja daran, dass ich mich selbst nicht gerne in Schubladen einsortieren lasse und die Erfindung der Genres ohnehin für ein Marketinginstrument der Verlage halte, ein Etikett, mit dem es den fleißigen Buchhändlerinnen resp. -händlern leichter fällt, den Titel ins entsprechende Regal zu sortieren.
Derzeit bin ich dabei, mich auf eine Klinkenputzertour vorzubereiten. Die Dystopie nämlich sucht einen Verlag. Kein leichtes Unterfangen heutzutage. Der Grund liegt auf der Hand: Schriftsteller und andere „Büchermenschen“, die gehofft hatten, dass sich die Menschen in Zeiten von Lockdowns und pandemiebedingten Restriktionen wieder mehr zum Buch hingezogen fühlen, haben sich gründlich verrechnet. Nicht die Buchbranche zählt zu den Gewinnern der Pandemie, wenn man diesen so zynisch erscheinenden Begriff überhaupt verwenden darf, sondern Netflix und andere Streamingplattformen. Mit dem Ergebnis, dass Verlage ihre Produktionen drosseln und dass fast alle Schriftsteller nach der zweieinhalb Jahre lang durchwanderten Talsohle mindestens eins, eher noch zwei Manuskripte in der Schublade haben.
Ich habe es schon einmal in der heißen Endphase meines jüngsten Romans getan, jetzt nehme ich neuen Anlauf und suche mir einen Literaturagenten. Der soll sozusagen gegen Prozente den passgenauen Verlag finden. Wünschenswert wäre eine permanente Begleitung auch bei den nachfolgenden Projekten, aber man hat ja gelernt, sich zu bescheiden.
Und so wühle ich mich dieser Tage durchs Internet und durch Kollegen-Tipps auf der Suche nach einer Agentur. Meine Erfahrungen mit so einer Suche sind durchaus durchwachsen. Nun also, mit gehörigem Enthusiasmus ein weiterer Versuch.
Ein neues Buch, ein neues Glück? Wir werden sehen. Man steigt nicht zweimal in denselben Fluss.
Sie sehen, liebe Leser, wenn Sie mehr Gedrucktes von mir wollen – ich stehe bereit.
Und falls sich ein Agent oder ein Verleger bis hierhin vorgewagt haben sollte: Noch bin ich in Sachen meines neuen Romans nicht gebunden. Fühlen Sie sich frei, mit mir Kontakt aufzunehmen. Sollte ich gerade „auf Achse“ sein, ich melde mich trotzdem.