Apfelnuss und Mandelkern

Eine kleine Weihnachtsgeschichte von Klaus Jäger

Spielzeugladen
Elke und Thomas Parpart in ihrem Spielzeugladen. Foto: Klaus Jäger

Weihnachtszeit, schönste Zeit … Meine Wege führten mich gestern zum Spielzeughändler meines Vertrauens. Ich hatte ihn lange nicht gesehen. Nicht nur, weil die Enkel immer größer werden und es sie eher in Elektronikmärkte als in Spielzeugläden zieht. Es ist bedauerlicherweise auch so, dass sie und ihre Eltern es sich mit dem Wünschen von Jahr zu Jahr einfacher machen: Ein Gutschein rangiert bei ihnen ganz weit oben, ersatzweise tut es auch Bargeld.
Das gefällt Großeltern nicht, ist sich auch der Spielzeughändler sicher. „Omas wollen Geschenke machen, wollen die Augen der Enkel leuchten sehen“, weiß er aus Erfahrung. Nun, gestern wollte ich nicht stöbern, sondern gezielt kaufen.
„Habt Ihr Beyblades?“, fragte ich vage. Meine Schüchternheit in dieser Frage erklärt sich aus dem Umstand, dass ich mir trotz der Instruktionen des Sohnes noch immer nicht sicher war, wonach ich da eigentlich fragte. Begriffen habe ich: Es sind kleine Kreisel, mit denen man gegeneinander im Spiel antreten kann. Ziel des Spieles ist, die Kreisel des anderen zu zerschießen. Nun, als ich noch mit Kreiseln gespielt habe, da ging es darum, wessen Kreisel am längsten oder am schönsten tanzt. Zugegeben, ich habe auch mit Panzern und Gewehren gespielt, aber die Sechziger waren, glaube ich, auch eine andere Zeit. Ein Spiel zu fördern, dessen Ziel Zerstörung ist, da sträubt sich meine inzwischen grundpazifistische Einstellung. Egal, der Enkel will’s. Daher meine Frage: „Habt Ihr Beyblades?“
Der Händler nickte wissend. Klar. Er hatte. Noch eine Packung. Darunter, so erklärte er mir, hingen Spinblades. Das ist Prinzip ist dasselbe, bloß dass diese nur ein Viertel von jenen kosten. Er empfiehlt die preiswertere Variante, es habe auch noch nie Reklamation gegeben. Aber: „Wenn du schon Beyblades hast, dann musst du auch bei Beyblades bleiben.“ Weil, die haben ein höheres Gewicht. Ich, ehemaliger Schüler einer Polytechnischen Oberschule, begriff: Wenn rotierende Körper aufeinandertreffen, dann entscheiden die Fliehkräfte. Kraft ist Masse mal Beschleunigung. Auch der alte Newton hat es schon gewusst.
Mein Händler will nicht klagen, auch wenn die Wünsche der kleinen Kunden und ihrer Eltern nicht immer mit seinem Angebot korrelieren. Der wackere Mann bleibt eisern. Könnte auch sagen, stur. Neulich erst sei einer dagewesen, der fragte nach Spielen für die Playstation. Hab ich nicht, antwortete der Händler. Hast du nicht, wunderte sich der Kunde. Aber wie kannst du dann überleben?
Freilich, sagte der Händler zu mir, ich könnte auch Playstation reinnehmen. Aber dann würde er gleich die ganze Wand da drüben brauchen. Jetzt stehen dort prächtige Traktoren und andere Landmaschinen, Rennwagen, Kräne und Baukästen für kleinere Jungs. Hinter ihm im Regal stehen Unmengen an Schleich-Figuren. „Mit so was hätten wir damals auch gerne gespielt, was?“, fragte ich ihn. „Das geht doch bestimmt immer.“
Ja, sagte er, das laufe wie geschnitten Brot. Dabei, es gibt auch eine Alternative. Halb so teuer. Er zeigt mir andere schöne Tiere, oft mit Jungtieren dabei. Ebenso fein und detailreich modelliert wie die der Marke Schleich. Zum Zwiebelmarkt hat er einen großen Tisch rausgestellt, Rasenteppich drauf und einen Bauernhof aufgebaut. Die Leute haben gekauft wie verrückt. Eine Dame habe sich für 60 Euro Tiere einpacken lassen. An der Tür schon fragte sie dann: „Die sind doch von Schleich, oder?“ Als der Händler verneinte, stellte sie die Tüte wieder auf den Tisch. „Dann will ich die nicht.“
„Wir werden alle zu dressierten Konsumenten“, gab ich zu bedenken. Die Menschen wollen keine Tiere, sie wollen Schleich. Sie kaufen keine Puppen, sie kaufen Barbie. Es geht nicht mehr um den Inhalt, es geht um die Verpackung und das Versprechen, das die Werbung macht. Erinnert mich ein bisschen an den Buchmarkt.
„Manche Dinge ändern sich glücklicherweise nie“, sagte ich, und zeigte auf das Regal mit den Plüschtieren. Herr Fuchs und Frau Elster, schön umgesetzt. Marke unbekannt. Zumindest mir. Der Händler lachte.
„Na, schon was gefunden“, fragte er eine junge Kundin, die unschlüssig zwischen den Regalen wanderte.
Ich schielte auf die Uhr. Es wurde Zeit.
Mit dem Smartphone schoss ich ein Foto von der Verpackung mit den Beyblades, sendete es an den Sohn mit der Frage, ob das wohl passe. Sein Handy war aus, ich ließ mir das Geschenk zurücklegen.
Auf dem Heimweg ging mir eine Melodie durch den Kopf, ein Weihnachtslied, na klar, das passt zum Tage.
Apfelnuss, Mandelkern, Bla-bla, Korinth.
Was ist eigentlich eine Apfelnuss? Sicher sind Äpfel und Nüsse gemeint. Also: Apfel, Nuss, Mandelkern, Bla-bla, Korinth. Und jetzt fiel mir auch der Reim darauf ein: Alles das bringt uns das himmlische Kind.
Den ganzen Weg über summte ich das Lied und kramte in meinem Gedächtnis nach dem fehlenden zweisilbigen Wort. Es wollte und wollte mir nicht einfallen. Das Alter. Wahrscheinlich.
Zu Hause angekommen, berichtete ich gar nicht von meinem Besuch bei meinem Freund, dem Spielzeughändler. Ich sang der Gattin, die schon mit dem Essen wartete, sogleich das Lied von der Apfelnuss vor. Sie schüttelte energisch den Kopf.
„So geht das nicht“, war sie sich sicher.
Das Internet wusste weiter:
Pfeffernuss, Äpfelchen, Mandeln, Korinth.
Auch das mit dem himmlischen Kind stimmte nicht ganz.
Alles das schenkt er dem artigen Kind, ging es weiter.

Pfeffernuss, Äpfelchen, Mandeln, Korinth.
Mein Gott, worüber sich die Kinder früher gefreut haben.
Bald nun ist Weihnachtszeit.

Eine Antwort auf „Apfelnuss und Mandelkern“

  1. Vielen Dank für die schöne Geschichte, musste sogar lächeln. Aber so ist es mit dem Kommerz. An kleinen Dingen erfreut sich keiner mehr. Ich versuche es mit selbstgemachten und hoffe es kommt gut an. Schöne Weihnachten und im nächsten Jahr wieder gutes zum lesen. Danke

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