Was der Schreiber so liest (27)
Joyce Carol Oates: Pik Bube (2015)
Im Zeitalter lesbarer Briketts ist es eher ein schmales Bändchen, das Joyce Carol Oates mit dem Psycho-Thriller „Pik Bube“ vorlegt. Darin führt der Protagonist, der berühmte und erfolgreiche Kriminalschriftsteller Andrew Rush (der im Buch von der Kritik als „des Bildungsbürgers Stepen King“ klassifiziert wird) ein nur scheinbar harmloses Doppelleben. Nachts schreibt er unter dem Pseudonym „Pik Bube“ bluttriefende Gewaltfantasien. Nicht einmal seine Familie, geschweige denn sein Verlag oder die Öffentlichkeit wissen, wer sich hinter dem Namen Pik Bube verbirgt. Indes: Pik Bube ergreift mehr und mehr Besitz von Andrew Rush, steuert zunächst nur sein Denken … und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Auslöser ist die Klage einer geistesgestörten Frau, die Rush des Plagiats und des Diebstahls bezichtigt. Die hat bereits andere berühmte Autoren belästigt und mit Klagen überzogen. Rush fühlt sich bis ins Mark getroffen, Pik Bube flüstert ihm ein, dass man der Querulantin auch anders beikommen könne, als mit juristischen Mitteln. Und so dringt Rush eines Tages in ihr Haus ein, findet Texte, in denen er tatsächlich unglaubliche Parallelen zu seinen oder Stephen Kings Büchern zu erkennen glaubt. Hat die alte Hexe wirklich Dinge geschrieben, die so oder ähnlich später in berühmten Romanen auftauchen? Oder ist auch das nur eine Projektion, die ihm Pik Bube sendet?
Diesen Punkt hätte ich gerne vertieft gesehen, zumal dieser Teil der Story auf einer wahren Begebenheit beruht. Nicht nur Stephen King, auch John Updike und, ja, Joyce Carol Oates selbst wurden von einer geistesgestörten „Schriftstellerin“ erheblich belästigt.
Natürlich endet die raffiniert und packend geschriebene Geschichte von Joyce Carol Oates, die ich uneingeschränkt empfehle, in einer Katastrophe. In welcher, das muss der Leser schon selbst herausfinden.
In den USA gilt Oates, die im vergangenen Jahr ihren 80. Geburtstag feiert, als Literatur-Ikone. Seit Jahren wird sie auch immer wieder als Kandidatin für den Nobelpreis benannt, auch wenn dessen Ruf in letzter Zeit arg gelitten hat. Aus der Feder von Joyce Carol Oates stammen rund 40 Romane, einige Bände mit Kurzgeschichten, aber auch Theater-Stücke und Novellen. Ihre hierzulande bekanntesten Bücher dürften das Monroe-Porträt „Blond“, „Der Mann ohne Schatten“, „Die Lästigen“, „Niagara“ und „Unter Verdacht“ sein.
„Pik Bube“ ist das erste Buch von Joyce Carol Oates, das ich gelesen habe. Nicht einmal eine Woche habe ich dafür gebraucht. Und weiß jetzt: Ich muss noch einiges nachholen.